Berater & Impulsgeber
Deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute
Deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute genießen in der Wirtschaftspolitik einen sehr guten Ruf. Sie haben sich der Forschung von Politik und Wirtschaft verschrieben, und sie stehen den politischen und den wirtschaftlichen Größen des Landes beratend zur Seite. Ihr Einfluss auf wirtschaftspolitische Entscheidungen darf nicht unterschätzt werden.
Ein vielfältiger Markt mit Schwerpunkten
Sie erforschen wirtschaftspolitische Zusammenhänge, sie verstehen sich als Impulsgeber für die nationale und die internationale Wirtschaft, und sie sind Berater in Beiräten, Ausschüssen und unzähligen anderen Gremien: Die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sind an vielen Stellen in Politik und Wirtschaft involviert. Einige der sehr etablierten Einrichtungen lassen mit regelmäßigen Veröffentlichungen von sich hören. Trotzdem ist der Markt recht heterogen. Es gibt eine ganze Reihe von Institutionen, die der breiten Öffentlichkeit bisher eher weniger bekannt sind. Die großen Anbieter wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo), das Institut für Weltwirtschaft (ifw) oder das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind mit ihren Publikationen allerdings in allen relevanten Medien präsent. Ihr Einfluss auf Politik und Wirtschaft und auf die Instrumente der Geldpolitik ist zum Teil erheblich, deshalb sind auch ihre Forschungsschwerpunkte und die vertretene Wirtschaftsphilosophie von Bedeutung. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass letztlich jedes Institut eigene Akzente setzt. Sofern sich an der Spitze der Einrichtung ein Wechsel abzeichnet, können sich diese Akzente ändern. Es dürfte spannend sein zu sehen, ob und wie sich die wirtschaftspolitische Ausrichtung in den kommenden Jahren ändert.
Der größte Anbieter sitzt in Berlin
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Sitz in Berlin bringt nach der Mitarbeiteranzahl das größte Schwergewicht auf dem Markt. Von den rund 250 Mitarbeitern sind rund 150 wissenschaftlich für die Forschung tätig. Das Jahresbudget macht etwa 28 Millionen Euro aus, es wird zu jeweils 50 Prozent vom Bund und von dem Land Berlin finanziert. Hinzu kommen Drittmittel, die den finanziellen Rahmen noch einmal deutlich aufstocken. Das Institut konzentriert sich auf Verteilungsfragen und nutzt zur Forschung unter anderem die Langzeitbefragung SOEP. Hier werden rund 11.000 Haushalte zu ihren wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Verhältnissen befragt, um dadurch einen Überblick über die deutsche Bevölkerung zu bekommen. Die Befragung ist ein Datenpool für die Forscher, die sich daraus ein genaues Bild über die Familien- und Vermögensverhältnisse, über das Leben und das Arbeiten der analysierten Haushalte machen. Im neuesten Ranking der FAZ liegt das DIW auf dem zweiten Platz und muss sich nur dem Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) geschlagen geben. Derzeitiger Leiter des DIW ist Marcel Fratzscher, er führt die Institution bereits seit drei Jahren. In der jüngeren Vergangenheit fiel er vorrangig durch eine dem ifo gegensätzlich angesiedelte Wirtschaftspolitik auf. In den Medien wird häufiger die Aussage zitiert, das DIW sei gewerkschaftsnah und politisch links der Mitte positioniert. Ungeachtet dessen erhalten nicht alle Veröffentlichungen die ungeteilte Zustimmung der Öffentlichkeit. Das DIW ist unter anderem Herausgeber des Konjunkturbarometers, mit dem man wichtige Hinweise auf die aktuellen Entwicklungen der Märkte gewinnen will.
Der bekannteste Name stammt aus München
Das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) ist wohl die Einrichtung, von der die meisten Verbraucher schon einmal irgendwo gehört haben. In den vergangenen 15 Jahren kamen aus dem ifo wichtige Impulse zur Entwicklung der Wirtschaftspolitik. Das liegt daran, dass der bisherige Leiter des ifo Hans-Werner Sinn von Zeit zu Zeit mit seinen Aussagen polarisieren wollte. Bei wichtigen Themen rund um den Arbeitsmarkt, den Mindestlohn, die Zuwanderung und die Klimapolitik zog er regelmäßig sehr schnell eine erste Analyse und beurteilte die EZB-Zinspolitik, die Hilfspakete für Griechenland und viele andere Ereignisse aus dem politisch-wirtschaftlichen Tagesgeschehen mit großem Fachwissen und mit einem messerscharfen Verstand. Seit Anfang April wird das ifo aus München von Clemens Fuest geleitet. Der ausgebildete Steuerexperte gilt als sachlich und verlässlich, er fühlt sich eher der wissenschaftlichen Forschung verpflichtet als dem großen medienwirksamen Auftritt. Es bleibt spannend zu sehen, wie sich das ifo unter seiner Leitung entwickelt. Mit rund 200 Mitarbeitern, von denen 100 wissenschaftlich tätig sind und einem Jahresbudget ist der Herausgeber des ifo Geschäftsklimaindex nur etwas kleiner als das DIW in Berlin. Trotzdem gilt das ifo derzeit als führend in der Rangliste der Wirtschaftsforschungsinstitute. Die FAZ setzt das ifo in ihrem Ranking auf den ersten Platz und begründet das auch mit der herausragenden Medienpräsenz in der Vergangenheit. Die wichtigste Publikation ist sicher der Geschäftsklimaindex, der auf Umfrageergebnissen von 7.000 Managern aus Industrie, Handel und Bauwirtschaft beruht und das wichtigste Barometer für die laufende Konjunktur in Deutschland ist. Der ifo-Geschäftsklimaindex gilt als essenzieller Impulsgeber für die nationalen und internationalen Börsen. Darüber hinaus ist das ifo bekannt für seine Forschungsergebnisse rund um Bildung und Außenhandel.
Viele Kandidaten, großes Potenzial
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (ifw) wird ebenso wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung aus Mannheim (ZWE) in den einschlägigen Rankings häufig eher im Mittelfeld angesiedelt. Nach der Zahl der Mitarbeiter mag diese Einschätzung berechtigt sein. Doch beide Institute gehen mit ganz eigenen Ideen auf den Markt und bringen Bewegung in die ökonomischen Einschätzungen. So will die Kieler Einrichtung unter dem Amerikaner Dennis Snower weg von dem kühlen Image und mehr Empathie in die gesamte Wirtschaftsforschung bringen. Diese Haltung kommt nicht überall gut an. Das ZEW als der Herausgeber der ZWE-Konjunkturerwartungen ist mit 120 Wissenschaftlern sicher keine kleine Einrichtung, und sie wird für die großen Anbieter mehr und mehr zur ernsten Konkurrenz. Zukünftig von dem Forscher Achim Wambach geführt, wird sich das Institut sicher neu positionieren und sich wohl auch rund um das Thema „Marktdesign“ neu ausrichten. Hier geht es um Vorgaben für Wirtschaftsbereiche, die sich nicht als Selbstläufer etablieren. Dazu gehören zum Beispiel die Energiewende, die Regulierung der Telekommunikation oder der Post und auch der gesamte Themenkomplex der Digitalisierung. Allen Einrichtungen ist gemein, dass sie mit regelmäßigen Veröffentlichungen großen Einfluss nehmen auf die Politik und die Wirtschaft. Und auch die Goldpolitik der Europäischen Zentralbank bleibt davon nicht unberührt.
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